Von Menschen und Mäusen
Was können wir nach der Kommunalwahl für den Radverkehr erwarten?
3,97 Euro pro Einwohner – das waren die Ausgaben die Stadt Duisburg für den Radverkehr im Jahr 2023 laut ADFC-Fahrradklimatest 2024. Erschütternd wenig, das sieht man auf den ersten Blick und bestätigt sich beim Vergleich mit einigen Nachbarstädten: So gaben Essen und Bochum jeweils rund 20 Euro und Krefeld immerhin knapp 9 Euro pro Einwohner aus. Der Stadt zugute halten muss man, dass sie hier die Karten auf den Tisch gelegt hat - viele Städte blieben diese freiwillige Selbstauskunft schuldig.
Die rund 4 Euro pro Einwohner und Jahr in Duisburg teilen sich auf in 1,59 Euro für Planung und Bau und 2,38 Euro für Unterhalt. Es ist offensichtlich: Mit diesen Summen kann die Radverkehrs-Infrastruktur in Duisburg kaum erhalten, geschweige denn substanziell verbessert werden. Der ADFC hat die Parteien im Vorfeld der Kommunalwahl deshalb gefragt, welches Pro-Kopf-Budget sie künftig für den Fahrradverkehr zur Verfügung stellen wollen und wofür es verwendet werden soll.
Die Antworten von CDU, Grünen, Junges Duisburg, Linke, SPD und Volt wecken zunächst durchaus Hoffnung. Fast alle der genannten Parteien halten eine Erhöhung des Budgets für erforderlich.
Die CDU möchte das Budget auf ein Niveau erhöhen, das im Einklang steht mit den besten Praktiken anderer vergleichbarer Städte. Einen konkreten Betrag nennt sie zwar nicht, weist aber auf den vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) empfohlenen Durchschnittswert von 30 Euro pro Person und Jahr hin. Die Linke schließt sich ebenfalls den Empfehlungen des BMDV an und fordert einen Betrag von 30 Euro pro Person und Jahr. Auch die Grünen fordern ein höheres Budget für den Radverkehr und werfen die Zahl 35 € in den Ring, orientiert an Städten wie Kopenhagen und Bonn.
Etwas vorsichtiger geht Volt an die Frage heran mit einer Forderung von 15 Euro. Junges Duisburg fordert ein deutlich höheres Pro-Kopf-Budget für den Radverkehr und einen gezielten Abruf von Fördermitteln, ohne jedoch eine konkrete Zahl zu nennen. Vorsichtig bleibt auch die SPD – sie möchte sich zwar weiterhin dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen für sicheres und attraktives Radfahren Schritt für Schritt verbessert werden, durch kontinuierliche, verlässliche Investitionen in Infrastruktur, Sicherheit und Service, ohne jedoch eine Zahl zu nennen.
Stehen dem Radverkehr in Duisburg also rosige Zeiten bevor? Bei der Podiumsdiskussion im Rahmen der DuiNaMo entstand ein etwas anderer Eindruck. Die Vertreter der Groko-Fraktionen SPD und CDU mahnten Realismus an: Im Vergleich zum früheren Nothaushalt sei die aktuelle Situation doch bereits viel besser. Auch Junges Duisburg wollte sich finanziell nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Die Grünen beklagten das durch Missmanagement entstandene Gebag-Desaster.
Das große Füllhorn aufmachen wollte in der Podiumsdiskussion jedenfalls niemand. Und das, obwohl Investitionen in Rad- und Fußverkehrsanlagen von Land und Bund mit bis zu 90 % bezuschusst werden, worauf einige Diskutanten ausdrücklich hingewiesen haben. Für jeden investierten Euro werden also bis zu neun Euro in die Stadt geholt – das müsste doch eigentlich der Wirtschaftsförderung in den Ohren klingeln! Dennoch nimmt Duisburg bisher kaum am Förderprogramm Nahmobilität teil - nachzulesen in den jährlich vom Verkehrsministerium veröffentlichten Pressemitteilungen https://www.umwelt.nrw.de/themen/verkehr/nahmobilitaet
In der Parteienbefragung und bei der Podiumsdiskussion wurden die Parteien auch gefragt, wofür sie die Haushaltsmittel einsetzen wollen bzw. welche Maßnahmen sie nach der Kommunalwahl schnell umsetzen wollen. An Ideen und Vorschlägen mangelte es nicht: Sanierung, Ausbau und Neubau von Radwegen und Fahrradstraßen bzw. eines Radwegenetzes standen ganz oben auf der Wunschliste, aber auch weitere Maßnahmen wie Baustellenüberwachung, Linienführung, Rotmarkierungen, sichere Abstellmöglichkeiten und schließlich „weiche“ Faktoren wie Bürgerbeteiligung, Förderung der Fahrradkultur, mehr Kontrollen und ein koordinierendes „Fahrradbüro“ wurden genannt.
Viele gute Ideen also, denen der ADFC voll zustimmen kann. Und dennoch beschleicht einen auch das Gefühl: Der große Wurf ist das nicht!
Realismus ist wichtig, doch in unserer Stadt scheint ein lähmender Realismus zu herrschen, der an den bestehenden Verhältnissen klebt und den Blick über den Tellerrand vermissen lässt. Wo bleibt die Erkenntnis, dass es ALLEN Verkehrsteilnehmenden nutzt, wenn mehr Menschen das Auto stehen lassen und per Rad, ÖPNV oder zu Fuß unterwegs sind? Mehr Platz, weniger Lärm, bessere Luft, mehr Sicherheit – kurzum: mehr Wohlbefinden in der Stadt. Auch das ist doch Realität und wird in immer mehr Städten erfolgreich gelebt!
Wir wünschen uns einen Realismus, der die jetzigen Verhältnisse anerkennt, aber dabei nicht stehenbleibt. Sondern den Ball weit nach vorne wirft, ein positives Zukunftsbild zeichnet und mutig den Weg und die Schritte dorthin skizziert. Mit einem überzeugenden Konzept – nennen wir es gerne Mobilitätskonzept – , Klarheit und Beharrlichkeit lassen sich auch Bürgerinnen und Bürger überzeugen, die mehr Radverkehr zunächst skeptisch gegenüber stehen. Beispiele dafür aus anderen Städten gibt es genug.
Im Doppelhaushalt 2025/2026 sind übrigens dank einiger größerer Projekte und akquirierter Fördermittel deutlich mehr Mittel für Radverkehrsanlagen eigeplant (siehe Kasten) – rund zehn Euro pro Person und Jahr. Es bleibt zu hoffen, dass dies keine Eintagsfliege ist, sondern der Einstieg in eine dauerhafte Aufstockung der Mittel für den Radverkehr.
Durchdachte Konzepte sind ein Schlüssel zur Verkehrswende, finanzielle Mittel ein zweiter. Ein dritter Faktor sind Personen in der Stadtverwaltung, die die Pläne auf die Straße bringen. Zu Recht beklagten die Podiumsteilnehmer der DuiNaMo den Mangel an Personalstellen für den Radverkehr in Duisburg. Auch wir meinen: Zwei Stellen im Bereich Planung und Bau, eine für den Unterhalt und eine für Koordination und Öffentlichkeitsarbeit – das ist mit Sicherheit zu wenig, um den jahrelangen Planungs-, Investitions- und Sanierungsstau in absehbarer Zeit auch nur annähernd abzuarbeiten. Aktuell läuft zwar eine Stellenausschreibung für eine/n Bauingenieur/-in mit dem Schwerpunkt Radverkehr – diese ist aber nur für die demnächst anstehende Nachbesetzung des Fahrradbeauftragten. Es bräuchte ohnehin ganz andere Dimensionen: Im Fahrradklimatest nennen Essen 17, Bochum 12, Düsseldorf 10 und Mülheim 4 Stellen allein für Planung und Bau für den Radverkehr, hinzu kommen weitere für Unterhalt und Kommunikation.
Fazit: Positive Ansätze sind zu erkennen, in den Aussagen der Politikerinnen und Politiker wie auch in realen Planungen. Der Weg zu einer echten Verkehrswende ist aber noch sehr weit. Ob vor oder nach der Kommunalwahl: Der ADFC wird nicht nachlassen, sich dafür einzusetzen!
Doppelhaushalt 2025/2026: Was ist drin für den Radverkehr?
Ein kommunaler Haushaltsplan ist ein sperriges Werk, dessen Zahlen sich überwiegend nur haushaltstechnisch vorgebildeten Expert:innen erschließen. Doch einige Zahlen sind auch für die Laien durchaus aussagekräftig. Dazu gehören die „Produktkosten je Einwohner“ im Bereich Verkehrsflächen und –anlagen.
Der für uns relevante Posten im Haushaltsplan der Stadt Duisburg ist Produkt 120 106: „Bereitstellung öffentlicher Verkehrsflächen“. Dazu zählen Unterhaltung sowie Um-, Aus- und Neubau von öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen und Sonderbauten. Ziel ist „die Erhaltung und Optimierung der Verkehrsinfrastruktur unter Beachtung der Verkehrsnachfrage inklusive Optimierung der Radverkehrsanlagen.“ Oha, der Radverkehr wird eigens erwähnt! Für Produkt 120.106 sind 2025 116 Euro pro Einwohner eingeplant, wo steckt hier der Radverkehr?
Im Produkt 120 106 sind jährlich 800.000 Euro für „Baumaßnahmen Radverkehrsanlagen“ ausgewiesen als erläutert als „Erneuerungspauschale für Radwege“. Geteilt durch die Einwohnerzahl von Duisburg, sind das 1,57 Euro und damit ziemlich genau jene Summe, die die Stadt im Fahrradklimatest für Planung und Bau von Radverkehrsanlagen 2023 angegeben hat. Die im Fahrradklimatest genannten Ausgaben für den Unterhalt der Anlagen lassen sich im Haushaltsplan hingegen nicht ohne Weiteres auffinden.
Der Doppelhaushalt enthält außerdem eine Reihe von Projekten, die mit den geplanten Radschnellverbindungen in Zusammenhang stehen. Diese Mittel sind für 2025 und 2026 insgesamt eingeplant (Summe beider Jahre):
- Radwegeverbindung Duisburger Dünen – IGA Rheinpark: 4,2 Mio Euro, 85 % davon Zuschüsse.
- Fuß- und Radwegebrücke Koloniestraße: 2,6 Millionen, 66 % davon Zuschüsse
- Anbindun gan Radschnellverbindungen: 1,5 Mio, 70 % Zuschüsse
- Anpassungen am Grunewaldknoten im Zusammenhang mit der Trassierung RS 1 und Anschluss an die Duisburger Dünen: 267.000 Euro, keine Zuschüsse
- Brücke über die Heerstraße: 1,8 Mio, 58 % Zuschüsse.
Sollten diese Baumaßnahmen tatsächlich umgesetzt und die Mittel abgerufen werden, ergibt sich ein durchschnittliches Pro-Kopf-Budget für den Radverkehr von 10,16 Euro pro Jahr.
Weiterhin wird im Haushaltsplan auf Neubaumaßnahmen an Straßen hingewiesen, die mit dem Ausbau der Radverkehrsanlagen verbunden sind. Erwähnt werden Mühlenfelder Str./ Stahlstr., Kaiser-Friedrich-Str., Neue Fruchtstr., Karl-Lehr-Str., Bonifatiusplatz, Wedauer Str. und Düsseldorfer Str. Angaben zu den vorgesehenen Finanzmitteln erfolgen hier jedoch nicht.