Critical Mass unter Polizeibeobachtung

Bei der Critical Mass Ende September kam es zum ersten Polizeikontakt. Jetzt ist wichtig, gemeinsam einen für alle akzeptablen Weg zu suchen. Dafür lohnt ein Blick nach Köln, Düsseldorf oder Essen.

Zugegeben: Der überspitzte Titel sollte Sie zum Lesen animieren. Tatsache ist aber auch, dass die Critical Mass (CM) Ende September von sechs Polizeiwagen auf der Steinschen Gasse aufgehalten und von beiden Seiten eingeschlossen wurde. Zunächst fuhren drei Polizeiwagen entgegen der Fahrtrichtung auf die Radelnden zu, dann fuhren drei Wagen von hinten auf; ein etwa halbstündiges Verkehrschaos inklusive.

70 Fahrradfahrende sind eine wahrnehmbare Gruppe

Erfreulicherweise wächst die Critical Mass seit einigen Monaten auch in Duisburg. Knapp 70 Personen fuhren am letzten Freitag im September mit. Die Polizei wurde auf die Critical Mass aufmerksam, als die Gruppe an einem kreuzenden Polizeiwagen vorbeifuhr. Auf der Steinschen Gasse wurde der Verband dann, wie beschrieben, gestoppt. Die Polizeikräfte forderten die Teilnehmenden auf, die Veranstaltungsleitung zu benennen und sich auszuweisen. Da eine Critical Mass keine Leitung kennt, konnte dieser Forderung seitens der Radfahrenden nicht entsprochen werden. Es ergab sich ein auf beiden Seiten zunächst etwas aufgeregt geführter Austausch über das Wesen einer Critical Mass, dem Verbandfahren gemäß § 27 der StVO und den Befugnissen der Polizei. Eine Person wurde gezwungen, sich auszuweisen. Nach einem polizeiinternen Austausch deeskalierte die führende Polizistin die Lage, erkannte die Rechte des Verbandes an und ließ die Radelnden weiterfahren.

Die Critical Mass ist keine Demonstration.

Aus Polizeisicht ist eine angemeldete Demotour unter Polizeibegleitung zunächst die beste – da bekannte – Variante. Die Anmeldung einer Demonstration ist für Teilnehmende der Critical Mass allerdings ein echter Affront. Wesen der CM ist, den Raum auf der Straße zu haben, der dem Fahrradverkehr gesetzlich zusteht: einfach gemeinsam Fahrrad zu fahren – und dies eben nicht vorher anzumelden oder gemäß einer abgestimmten Route fahren zu müssen. So steht bei einer Critial Mass die Fahrradstrecke vorab niemals fest, sondern wird von den zufällig an der Spitze fahrenden Personen spontan entschieden. Wer Lust hat, links abzubiegen, tut es und meist fahren alle mit. Die CM fährt dabei gemäß der StVO, will also keine Sonderregelungen an Ampeln oder Kreuzungen. Zudem gibt es keine gemeinsamen und konkreten politischen Forderungen. Die Critical Mass in das Korsett einer Versammlung zu zwängen, führt erfahrungsgemäß zu Enttäuschung, Unverständnis und Wut bei den Radfahrenden. Viele Menschen, die an der Critical Mass teilnehmen, fühlen sich ohnehin meist viel zu wenig von der Polizei unterstützt, wenn es um die Ahndung von Verkehrsverstößen zulasten von Fahrradfahrenden geht.

Lasst uns aus den Fehlern der anderen Städte lernen, statt sie selbst auch noch zu machen!

Was ergibt sich aus diesem validen Anspruch der Critical Mass? Niemand in Duisburg möchte das „Katz-und-Maus-Spiel“ der CMs und der Polizeien, das in anderen Kommunen zu beobachten war. Vorbild können Städte wie Köln, Düsseldorf oder Essen sein, die den Prozess schon hinter sich gebracht haben. So begleiten in Köln bereits seit mehreren Jahren Polizist:innen der Fahrradstaffel die Critical Mass, bei der monatlich immerhin Hunderte bis Tausende mitfahren.

Jetzt heißt es: Kooperation statt Repression

Die Polizei täte gut daran, sich lösungsorientiert in anderen Kommunen umzuhören. Damit die Critical Mass in Duisburg das sein kann, was sie sein will: Eine ganz normale Feierabendtour von Fahrradfahrenden, deren Rechte als Verkehrsteilnehmende von Polizei, Stadt und dem motorisierten Verkehr respektiert und ernstgenommen werden.

Nachtrag zur CM Ende Oktober

Am letzten Freitag im Oktober war wieder CM, wetterbedingt mit deutlich geringerer Teilnehmendenzahl; dafür wurden die Radfahren von Polizeikräften in einem Polizeiwagen und auf drei Motorrädern erwartet. Laut der Polizei sei eine nicht angemeldete Demo mit über 100 Teilnehmer:innen angekündigt worden. Nach einem Austausch mit dem leitenden Polizeibeamten nahmen dann die ca. 20 Fahrradfahrenden die Straßen Duisburgs unter die Räder – begleitet von den Polizeimotorrädern; Motorenlärm, wenig Abstand zwischen Motor- und Fahrrädern sowie beständiges Blaulicht inklusive.

Die nächste Critical Mass findet am Freitag, den 24.11.2023 um 19 Uhr statt. Treffpunkt ist der Bahnhofsvorplatz (Portsmouthplatz). Es handelt sich nicht um eine Veranstaltung des ADFC Duisburg.

Lara Schartau-Engelking


https://duisburg.adfc.de/neuigkeit/critical-mass-unter-polizeibeobachtung

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